Thema Leerstand

  • Juli 9, 2012 22:01

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Alternative Nutzung und „soziale“ Hauseigentümer

Leerstand und Zwischennutzung sind ein aktuelles und ein brisantes Thema: Während manche Prekariatsverträge genau das vorantreiben was sie bezeichnen, nämlich die Prekarisierung der Lebensumstände der NutzerInnen, werden einige sogenannte Zwischennutzungen tatsächlich produktiv. So geschehen im Haus Mühlfeldgasse 12 im zweiten Bezirk. Dort wurde im November vergangenen Jahres Menschen ohne fixe Wohnmöglichkeiten eine 6 Monatige Nutzung der leerstehenden Wohnungen und der verlassenen, verwüsteten Pizzaria im Erdgeschoss angeboten. In einem halben Jahr entstand so aus einer sehr heterogenen, schnell entstandenen Gruppe von Menschen eine Gemeinschaft. In dieser Gemeinschaft wurde nicht nur das gemeinsame Leben selbstbestimmt und kollektiv organisiert, sondern auch Raum für viele geschaffen – mit regelmäßiger Volxküche, regelmäßigem Filmeschauen, Nachbarschafts Festln, einem Kost-Nix-Laden und einer kleinen Bibliothek.

 

Das Projekt „Die Pizzaria“ sprach sich schnell herum, und nicht nur positiv. So wurde der Vergleich zu einer Situation in Graz gezogen, bei der die zur Nutzung eingeladenen „Chaoten“ für den Auszug der verbliebenen AltmieterInnen mit unbefristeten Verträgen sorgten.

Auch in der Mühlfeldgasse 12 gibt es solche MieterInnen, deren Mietverträge, Kategorie D, unkündbar sind. Und auch die schätzen den Umgang der HauseigentümerInnen mit dem Haus gar nicht – im Gegenteil.  Schon der Vorbesitzer wollte mit dem denkmalwürdigen Haus offenbar ein großes Geschäft machen und kündigte unrechtmäßig alle Mietverträge. Das Haus sollte luxussaniert werden, um dann als  Eigentumswohungen teuer wieder verkauft zu werden. Dazu sollten Wohnungen zusammengelegt, und Lifte und Vollbäder eingebaut werden.

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Seitdem erfahren die BewohnerInnen was dieses Geschäftsinteresse bedeuten kann. Der Vorbesitzer versuchte im zweiten Schritt mit verschiedensten Mitteln die MieterInnen zum Auszug zu bringen, bei denen er mit seinen Kündigungen nicht durchkam. Unter seine Verantwortung fällt z.B. ein Schaden am Dach, der erst durch den Druck der Hausversicherung behoben wurde. In der Wohnung darunter hatte knöcheltief das Wasser gestanden. Der damalige Hauseigentümer wurde kurz davor und danach von den MieterInnen mehrfach beim Werkeln am Dachboden angetroffen, und nach der Reparatur regnete es wieder rein. Der Schaden ist groß: Das Paar im obersten Stock, das seit 40 Jahren dort lebt, kann wegen starkem Schimmelbefall nur noch eine Wohnungshälfte nutzen. Trotz einer erneuten erzwungenen Reparatur und einer gerichtlichen Klage, ist die Lage unverändert. Die Sanierung der Wohnung sollte auf das Paar abgewälzt werden, und sie gingen erneut vor Gericht. Das letzte Urteil ist noch nicht gesprochen und noch kein bisschen Schimmel entfernt.

 

Im August 2011 kaufte dann die Castella GmbH das Haus und die Methoden der Bestandsfreimachung verschärften sich: Im Stiegenhaus wurde Öl verschüttet, zwei Wochen später eine Chemikalie. Es zog ein Verein ein, dessen Vorsitzender stark alkoholisiert im Stiegenhaus pöbelte, sich als Eigentümer vorstellte und die MieterInnen bedrohte, und ausserdem die unbekannten ZwischennutzerInnen. Regelmäßig landete der Müll aus den Tonnen im Eingangsbereich, das Haustüreschloss wurde nicht repariert, die Post lassen sich die übriggebliebenen drei Parteien schon lange woanders hinliefern. Wäre es realistisch, in der Gegend eine in Preis und Größe vergleichbare Wohnung zu finden, wären sie sicher ausgezogen.

Aber so liegen die Dinge nicht. Im zweiten Bezirk wird die Wirtschaftsuniversität gebaut, der Öffi- und Fernverkehrknotenpunkt Praterstern ist schon fertig, und die Mieten steigen seit einer Weile. Der Stadtteil wird „aufgewertet“, was de facto heißt dass von Seiten der Stadt für Investoren und Immobilienfirmen  Möglichkeiten geschaffen werden, große Projekte mit größtmöglichen Gewinnspannen zu realisieren. Darüber soll sich das Gesicht und die Struktur des Stadtteils ändern, um für ein konsumkräftigeres Publikum attraktiv zu werden. Die Castella GmbH z.B. kaufte diverse alte Häuser, mit „Restmieterbestand“, weil deren Verkaufswert niedrig ist. Überall sollen  Wohnungen zusammengelegt und Lifte eingebaut werden und letztlich teure Eigentumswohungen entstehen. Die Aussicht auf „Aufwertung“ verspricht eine BewohnerInnenschaft, die sich diese leisten können, und das verspricht einen höheren Gewinn als ein festgelegter Mietzins. Für die bestehende BewohnerInnenschaft bedeutet das Vertreibung, und die Castella GmbH führt vor, worum es dabei geht: Eines Abends steht der Hof unter Scheiße und die Kanalreinigung findet einen Sack Steine in der Kanalisation, der dort nicht von alleine hingewandert ist. Nach dem Konflikt um die Reparatur des Daches, der sich über den Verkauf an die Castella GmbH weiterzieht, wurden die Schlösser von Dachboden und Keller ausgetauscht. Da die neuen Schlüssel nie augehändigt wurden, auch nicht auf Nachfrage der Rauchfangkehrer, konnte im Winter nicht gekehrt werden und das bedeutet eventuelle Brandgefahr.  Die beiden Eigentümer der Castella GmbH Avner Motaev und Nery Alaev kennen keine Grenzen, sie kommen nach 21 Uhr unangemeldet persönlich vorbei, und wollen Zutritt zu den Wohnungen. Einmal flogen vorher noch kurz die Patschen vor der Tür in den Hof. Ihre Gespräche kann man kaum als solche bezeichnen – bedrängen, bedrohen und beschimpfen die beiden hauptsächlich.

 

In der Mühlfeldgasse 12 hat sich mittlerweile eine solidarische Kooperation zwischen den alten MieterInnen und den ZwischennutzerInnen hergestellt, denn auch das Projekt ist mit den Methoden der Eigentümer alles andere als einverstanden. Da fehlt eines Morgens eine Sicherung aus dem Hauptkasten, der ohne speziellen Schlüssel nicht zugänglich ist, so dass die Pizzaria keinen Strom hat. Am selben Tag tauchen verschiedene Menschen mit unguten Auftritten auf, unter anderem drei Männer im Türsteherformat, die rabiat an der verschlossenen Tür rütteln. Eines anderen morgens sind zwei Wohnungstüren vollgesprüht, genau die der inzwischen nur noch zwei hartnäckigen AltmieterInnen. In der selben Nacht wird eine Toilette am Gang so sabotiert, dass das Wasser bis ins Häusl drunter läuft, und die Pizzaria-Hauptsicherung fehlt ein zweites Mal. Für keine der Sabotageakte gibt es Zeugen, aber es gibt interessante Zufälle. Manche Begebenheit kommt in verschiedenen Castella-Häusern zur gleichen Zeit vor, wie die verschüttete Chemikalie. In zwei Häusern hat der cholerische Vereinsvorsitzende und angebliche Mit-Eigentümer seit Herbst 2011 ein Büro. In der Nacht, in der gesprüht wurde, ist die vordere Haustüre verschlossen und in der Pizzaria sind bis 7 Uhr in der früh Menschen, die sich untereinander alle kennen. Ohne Haustürschlüssel hätte eigentlich niemand Unbekanntes ins Haus kommen können. Als letztes wurden wieder Kündigungen verschickt, unter anderem wegen „unleidlichem Verhalten“. Rund um die Mühlfeldgasse 12 schleicht das Detektiv-Unternehmen MSI und beobachtet alle, die kommen und gehen.

 

Nicht nur die gesamte MieterInnenschaft, AltmieterInnen wie ZwischennutzerInnen, der Mühlfeldgasse 12 wollen sich gegen die Methoden der Castella-GmbH wehren. Auch andere Stellen sind deren Treiben aufmerksam geworden. Es wurde eine Prüfung aller Castella Baustellen veranlasst, durch die die Beschäftigung von Schwarzarbeitern bekannt geworden ist. Neben dem rechtlichen Sachverhalt sind auch hier die menschlichen Belange besonders zu kritisieren: die angetroffenen illegalen Arbeiter sind um ihren Lohn geprellt worden.

Es heißt die Finanzaufsichtsbehörde haben ebenfalls ein Auge auf das Konglomerat an Firmen geworfen, über die Avner Motaev und Nery Alaev ihre Immobiliengeschäfte geschickt abwickeln.

 

Die Konfliktlinie ist eindeutig: Nicht die Pizzaria NutzerInnen oder andere „Chaoten“ sind ein Problem für eine Nachbarschaft, sondern eine Stadt- und Immobilienpolitik, die der Spekulation mit Wohnraum und damit solchen Gangsterstories Vorschub leistet. Es ist Zeit gemeinsam dagegen anzugehen!

 

 

Die MieterInnen und „Die Pizzaria“ freuen sich über Unterstützung und Vernetzung!

 

Kontakt: 0680-5503299 oder muehlfeldgasse12@riseup.net