Demonstration gegen Rassismus und Polizeigewalt
Aufruf übernommen von:
https://linksunten.indymedia.org/de/node/81559
Am 22.03. gehen wir ab 14 Uhr auf die Strasse. Treffpunkt ist die U-Bahnstation Taborstrasse im 2.Bezirk. Diese war Tatort eines rassistischen Mordversuches. Wir demonstrieren gegen Alltagsrassismus, rassistische Polizeigewalt und eine Justiz die rassistische Taten verharmlost und Opfer verhöhnt.
Am 5.01.2013 wurde eine 36jährige Frau in der U-Bahnstation Taborstrasse auf die Gleise gestoßen. Das rechtzeitige Betätigen der Notbremse durch einen Zeugen rettete ihr Leben. Fast genau drei Monate später wurde dem 51jährigen Täter am Wiener Landesgericht der Prozess wegen schwerer Körperverletzung gemacht. Das nicht rechtskräftige Urteil lautet auf 12 Monate bedingte Haft. Die Justiz, unterstützt von Medien und der Polizei, bagatellisert zum wiederholten Mal rassistische Gewalt. Gleichzeitig häufen sich in ganz Österreich fremden- und minderheitenfeindliche Gewalttaten. Untragbare Zustände, gegen die sich vermehrt Protest regt und gegen die es gemeinsam Widerstand zu leisten gilt. Am Freitag den 22.03 startet am Tatort eine Demonstration gegen Rassismus und Polizeigewalt.
Situationsbedingte Panik in der U2
Der von ZeugInnen beschriebene Tatablauf: Ein Wiener und seine Freundin fühlten sich von einer telefonierenden Frau gestört, die sich in Begleitung einer Freundin, dem späteren Opfer, neben ihnen am Bahnsteig der U-Bahnstation Taborstraße befand. Erst beschimpften sie gemeinsam die dunkelhäutigen Frauen rassistisch und bedrohten sie. Es entwickelte sich ein Wortgefecht. Der Mann blickte auf die Anzeigentafel der Bahn und kündigte an: “in drei Minuten ist es vorbei”. Kurz vor Eintreffen des Zuges schlug der Täter eine der beiden Frauen mehrmals ins Gesicht, stieß sie vor die herannahende U-Bahn und rannte davon. Der Freundin des Opfers gelang es, die weibliche Angreiferin festzuhalten. Ein Zeuge konnte den Zug mit der am Bahnsteig befindlichen Notbremse gerade noch rechtzeitig stoppen. Beim Sturz in den Gleisschacht brach sich die angegriffene Frau die Ferse und konnte nicht mehr selbstständig aufstehen. Nur Sekunden trennten die Frau auf den Gleisen davon, von der herannahenden U-Bahn getötet zu werden. Der Täter wurde kurze Zeit später in Untersuchungshaft genommen.
Rassistischer Mordversuch – verständlicher Ausraster?
Im Prozess sagte der Anwalt des Mannes, der Gewaltakt sei im Affekt passiert, die unterlassene Hilfeleistung durch feige Flucht sei eine “situationsbedingte Panikreaktion” gewesen. Mordabsicht hätte nie bestanden. Diese ist jedoch für das Gesetz gar nicht relevant. Sobald ein Mensch durch seine Handlung den Tod eines anderen bewusst in Kauf nimmt, lautet der Straftatbestand Mordversuch, nicht Körperverletzung. Jemand auf die Gleise zu stoßen, auf denen jederzeit ein Zug passieren kann, fällt eindeutig in diese Kategorie.
Zunächst wurde der Täter deshalb auch in Untersuchungshaft genommen. Das Boulevardblatt Österreich sprach ebenfalls von Mordversuch und berief sich auf Polizei und ZeugInnenaussagen. Zwei Tage später änderte die Staatsanwaltschaft die Anklage auf schwere Körperverletzung. Videobänder würden die Version des Mannes bestätigen, wonach der Stoß ein „Versehen“ war. Diese Videos wurden jedoch nicht öffentlich und anscheinend auch bei der Gerichtsverhandlung nicht gezeigt. Auch die Berichterstattung änderte sich erstaunlich schnell. Während diverse Blätter zuerst korrekterweise von einem rassistisch motivierten Mordversuch sprachen, wurde der Ton schnell milder und passte sich dem Duktus der Anklage an. Und schließlich wurde dem Mann für seine “Überreaktion” auch noch von der Richterin am Landesgericht Verständnis entgegengebracht und er durfte sich über ein sehr mildes Urteil freuen, das weit unter dem Strafrahmen für schwere Körperverletzung blieb.
Ein albtraumhafter Normalzustand
Die schreckliche Tat reiht sich ein in dutzende rassistische Gewalttaten der letzten Jahre. In vielen Fällen werden die Täter gar nicht belangt oder erhalten verhältnismäßig milde Strafen. Die Umstände werden vertuscht, Rassismus wird von den zuständigen Behörden meist sehr schnell ausgeschlossen. Sogar wenn neonazistisches Propagandamaterial am Tatort gesichert wird, spricht die Polizei von einem „Nachbarschaftsstreit“. So geschehen etwa im Jahr 2011 bei rassistisch motivierten Morden in Oberösterreich. Ehemalige und aktive Polizisten berichten über neonazistische Beamte beim Verfassungschutz, in der Justiz und bei der Polizei. In den Onlineforen diverser Zeitung schäumt täglich die Volksseele und 62% der österreichsichen Bevölkerung wünschen sich laut Umfragen einen „starken Mann“ an die Spitze. Hungerstreikende refugees werden von der Kirche und der Polizei verhöhnt, Kriegsflüchtlinge in Lager eingesperrt, wo sie oft wieder Opfer von neonazistischen Übergriffen werden.
Die Frage sollte erlaubt sein, wieviele Opfer dieser österreichische Normalzustand noch fordern wird, bevor er grundlegend verändert werden muss. Jedes Opfer ist eines zu viel und irgendwann könnte es zu spät sein.
Das Urteil gegen den 51jährigen sorgte für Empörung – es ist jedoch nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft legte Berufung ein und der Prozess wird in die nächste Runde gehen.
Proteste und Widerstand
Der plump vorgetragene Rassismus rund um die Ereignisse in der U-Bahnstation Taborstrasse führte zu lautstarken Protesten der black community während des Prozesses. Gegenüber dem Internetportal no-racism.net sagte ein am Protest beteiligter Aktivist: “Die Stimmung im Gerichtssaal war von Respektlosigkeit geprägt. Das Opfer ist immer noch schwer verletzt, traumatisiert und wurde von der Richterin mehrmals schroff unterbrochen. Justizangestellte telefonierten während des Prozesses und das Opfer wurde wie ein kleines Kind behandelt. Wir alle haben den Eindruck, dass das österreichische Justizsystem zutiefst rassistisch ist.“ Wie zur Bestätigung dieser Aussage wurde ein Aktivist von der herbeigerufenen Polizeisondereinheit WEGA verhaftet.
Gegen diese österreichischen Normalzustände gehen wir am 22.03.2013 auf die Straße. Treffpunkt ist die U2-Station Taborstrasse, ab 14 Uhr beginnt eine Kundgebung mit anschließender Demonstration zum Innenministerium.
ein flyer:
Weitere Flyer, Plakat und Sticker finden sich hier: